Angesichts des Umstands, dass die deutsche Sprache die Bildung von Komposita fast unbeschränkt erlaubt und kein Vokabular mit den Möglichkeiten dieser Kombinatorik Schritt halten könnte, enthält Dragon NaturallySpeaking in der deutschen Version eine Funktion zur automatischen Bildung von Komposita (sog. "Compounder"). Ich kann als Laie nur vermuten, dass die Regeln für die Zusammenziehung von Wörtern probabilistisch anhand linguistischer Gesetzmäßigkeiten gebildet sind (zum Beispiel erhöht sich die Wahrscheinlichkeit bei unmittelbar nacheinander diktierten Substantiven des gleichen Casus). Ob der Compounder bei einem Ausdruck am Werk war, kann man daran sehen, dass in dem kleinen Erkennungsfenster getrennt, im Zielfenster (Word usw.) aber zusammengeschrieben wurde, außerdem, wenn man das soeben richtig zusammengeschriebene Wort nicht im Vokabular findet, wohl aber seine Einzelteile.
Wie schon an anderen Orten oft beklagt wurde, ist die Kompositabildung seit der Version 10.0 leider recht aggressiv eingestellt und zieht vor allem häufig zu Unrecht Adjektive und folgende Substantive zusammen, nach meinem Eindruck vor allem (aber nicht nur), wenn Adjektive oder Partizipien auf „en“ enden (z. B. "in der Geschlossenenbauweise") - besonders lustig wird es, wenn auch noch das Substantiv mit einem Vokal beginnt.
An anderer Stelle ist schon ausführlich das Für und Wider des Einsatzes der automatischen Kompositabildung diskutiert worden, viele Benutzer schalten die Funktion einfach ab (Menü Extras/Formatierung). Komposita können dann im Nachhinein durch den Befehl „verbinde ......“ zusammengezogen werden. Ebenso können glücklicherweise zu Unrecht gebildete Komposita durch den Befehl „trenne...“ aufgegliedert werden, es erscheint das Buchstabierfenster, welches verschiedene Möglichkeiten anbietet – leider nicht immer die richtige, seit der Version 10 ist die Trefferquote aber deutlich besser geworden.
Wenn man allerdings relativ häufig mit unbekannten Komposita umgehen muss, kann das aufwändig sein. Übersehene Fälle wirken für den nicht spracherkennungserfahrenen (dieses Wort habe ich übrigens soeben mit der genannten Funktionen zusammengezogen) Leser sehr merkwürdig – ebenso allerdings übersehene automatisch gebildete Komposita, die es gar nicht gibt (etwa an der "Genanntenstelle").
Einige Drachen-Apologeten haben in anderen Foren schon vorgetragen, angesichts dieser Besonderheit der deutschen Sprache sei eine fehlerfreie automatische Behandlung des Problems von vornherein nicht zu erwarten - das mag sein, ich frage mich dann aber, wieso es in früheren Versionen des Programms nach meiner Erinnerung deutlich besser klappte.
Als Workaround habe ich mir besonders häufige Fehlerquelle als eigene Ausdrücke ins Vokabular hinzugefügt (zum Beispiel auch den Ausdruck „genannten Stelle“). In den Fällen, in denen ich das Desaster schon vorausahne, diktiere ich an der erforderlichen Stelle eine "Leertaste" mit. Je nach Zusammenhang (viele Komposita-Neologismen oder nicht) schalte ich die Kompositaautomatik auch einfach ab, dazu habe ich mir einen einfachen Sprachbefehl (als Toggle, also Ein/Aus-Schalter) gebastelt (setzt in dieser Form freilich eine Profi-Version des Programms voraus, die Benutzer der Standard/Preferred-Versionen) müssen halt drei Befehle nacheinander sprechen):
Sub Main HeardWord "NaturallySpeaking-Formatierung", "öffnen" ControlPick "Komposita" ControlPick "OK" End Sub
Grüße, Marius Raabe
Dragon NaturallySpeaking 11.5 Legal Windows 7 Prof. 64-Bit, Office 2010, Jarte Plus Philips SpeechMike II Pro Plus, SpeechMike III, SpeechMike Air, PDCC 2.8 Intel Core2 Quad Q9550, 2,83 GHz, 2x6MB L-2, 8 GB RAM
alles in allem bin ich glücklicher über die automatische Bildung freier Komposita als über den Aufwand, den ich hätte, wenn ich sie manuell herstellen müsste. Gleichwohl stimme ich Ihnen zu, dass sicherlich in manchen Fällen, und möglicherweise auch seit Version 10 in verstärktem Maße, Wörter dabei miteinander fusioniert werden, die nach meinem Dafürhalten im diesem Prozess überhaupt nichts verloren haben. Die von Ihnen genannten Beispiele für solche Stilblüten kommen mir sehr bekannt vor, und eine sinnvolle Verwendung dieser beiden Partizipien als Vorderteil eines Kompositums fällt mir zumindest spontan nicht ein.
Keine rechte Vorstellung habe ich allerdings von der Funktionsweise des von Ihnen postulierten "Compounders", meines Wissens - und dafür gibt es hinreichende Indizien - entscheiden gewisse, gleichermaßen verborgene Merkmale der einzelnen Wörter und Einträge im Vokabular darüber, ob und in welcher Form das Wort mit anderen ähnlich markierten Einträgen im Vokabular Verbindungen eingehen kann.
Mein Wunsch, und gleichsam ein Verbesserungsvorschlag, wäre es daher, wenn der Anwender die Möglichkeit hätte, über den Vokabular-Editor für jeden beliebigen Eintrag dessen Bindungsfähigkeit zu deaktivieren, womit solche wie von Ihnen erwähnten Fälle wirkungsvoll beseitigt wären. Dazu würde eine einfache, zusätzliche Option schon genügen, vergleichbar etwa mit der Option im englischen Vokabular namens "Lower case in titles", die dort je nach Wortart standardmäßig mittels Haken aktiviert oder deaktiviert ist, jedoch jederzeit geändert werden kann.
Viele Grüße Rüdiger Wilke
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Dragon Professional 16 auf Windows 10 Pro und Windows 11 SpeechMike Premium (LFH3500); Office 2019 Pro + Office 365 (monatliches Abo) HP ZBook Fury 17 G8 - i7-11800H - 24 MB SmartCache - 32 GB RAM - 1 TB SSD
Auch hier der Sachstandsbericht zur Version 11: die automatische Kompositabildung ist nach wie vor nicht perfekt, zuweilen werden Wortarten, die gar nicht zusammengezogen werden können, zum Kompositum verheiratet – hier hat der Wechsel also keine grundsätzliche Verbesserung gebracht. Allerdings habe ich schon den Eindruck, dass die Fehlerquote hinsichtlich der Kompositabildung geringer geworden ist.
Beste Grüße, Marius Raabe
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